Hans Kammerlander, unsere Filmcrew und ich sind gesund und munter zurück im Basislager. Unsere Ambitionen auf den Gipfelsieg am Manaslu haben wir aufgegeben – die Natur war stärker als wir. Zu groß die Schneemassen am Berg. Zu groß das Risiko, weiter als Lager 2 hinaufzusteigen.

Schon der Weg dorthin war nicht ohne, mussten wir zunächst einen labil wirkenden Eisbruch direkt oberhalb des ersten Höhenlagers passieren. Dazu beobachteten wir in den vergangenen Tagen zahlreiche Lawinenabgänge – zwei größere sogar direkt über unsere beim Aufstieg gespurten Wege. Und während wir schon beim Spuren in Richtung Lager 1 hüfttief im ungebundenen Schnee einsackten, versanken wir weiter oben nun bis zu den Achseln im Pulverschnee. Wie mühselig, langsam und deshalb auch gefährlich ein Vorankommen unter diesen Umständen ist, muss ich wohl niemandem erklären.

Bei konstant kalten Temperaturen, nachts bis zu minus 25 Grad Celsius, ist in näherer Zukunft auch keine Verbesserung der Bedingungen in Sicht. Der Schnee wird sich nicht setzen und die Lawinengefahr unverändert hoch bleiben. Zu hoch, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass die Lage weiter oben, an den steileren Flanken des Manaslu, noch bedrohlicher wirkt. Es wäre ein Spiel mit dem Schicksal, zu dem keiner von uns bereit ist. Auch dann nicht, wenn bei dieser Expedition ein Kinofilm entsteht. Gerade unter diesen Voraussetzungen heißt es doch, das Risiko richtig einzuschätzen und sich vom von außen aufkommenden Erfolgsdruck nicht die Vernunft vernebeln zu lassen.

Hans Kammerlander und Stephan Keck beim Aufstieg

Hans Kammerlander im Aufstieg zwischen den Schneemassen

„Die Natur ist stärker als wir, wir können das nicht erzwingen – life goes on“

STEPHAN KECK

Den Gipfelerfolg zu filmen, wäre für alle Beteiligten sicher verlockend gewesen – aber eben nicht um jeden Preis. So gab es für mich als Expeditionsleiter und auch für Hans Kammerlander keine andere Option, als zu diesem Zeitpunkt umzukehren und das Team und uns in sichere Gefilde zu lotsen. Und obwohl wir nicht auf dem Gipfel des achthöchsten Berges der Welt waren, haben wir jede Menge beeindruckende Filmaufnahmen im Gepäck, werden wir doch seit Tagen von strahlendem Sonnenschein verwöhnt, der diesen Bergriesen, seine bizarren Eistürme, die riesigen Schneefelder und das in weiß getauchte Felsmassiv an der Spitze ins rechte Licht rückt.

Schönstes Wetter aber meterhoher Schnee am Berg

Hans selbst, dessen Lebensgeschichte in unserem Film erzählt wird, nimmt die Entscheidung recht locker und ist nicht enttäuscht. Es wird deutlich, dass es ihm vielmehr um die Rückkehr zum Manaslu selbst ging, als darum, seinen 13. Hauptgipfel eines Achttausenders zu besteigen. Diesen Weg wollte er zu Ende gehen, noch einmal Abschied von seinen vor 26 Jahren am Manaslu verlorenen Bergkameraden Friedl Mutschlechner und Karl Großrubatscher nehmen. Ich freue mich nach wie vor ungemein, ihn auf diesem intensiven Weg begleiten zu können und auch darüber, dass er nun seinen Frieden mit den tragischen Geschehnissen damals machen konnte. Seine innere Ruhe, die ich hier nun näher kennenlernen durfte, seine umfassende Erfahrung und seine Fähigkeit, Risiken vernünftig einschätzen zu können, sind die Gründe, warum er seine zahlreichen Abenteuer in der Bergwelt überlebt hat.

Alle Beteiligten an dieser Expedition haben noch viele Ziele in diesem Leben, die wir nach dieser vernünftigen Entscheidung nun angehen werden. Darauf freuen wir uns. Genau wie darauf, nach den letzten Filmaufnahmen im unteren Bereich des Berges bald schon die Zelte abzubrechen, nach Kathmandu und anschließend zu unseren Familien in die Heimat zurückzukehren.

Der Wind verfrachtet den Schnee wieder in den bereits gespurten Weg